Okinawa und Miyako: Japans kaum bekannte Trauminseln im Pazifik

Von Thomas Gross, dpa | 19.08.2008, 09:08 Naha. Sechs Millionen Japaner können nicht irren. So viele von ihnen machen Jahr für Jahr Urlaub auf Okinawa und auf der Nachbarinsel Miyako ganz im Süden ihres Landes.

In Deutschland allerdings sind die subtropischen Inseln im Pazifik kaum bekannt, obwohl sie einige Vorzüge zu bieten haben: eine jährliche Durchschnittstemperatur von 23 Grad, palmenumsäumte Sandstrände, eine immergrüne und abwechslungsreiche Landschaft sowie gute Tauchreviere. Obendrein gibt es hier Weltkulturerbe-Stätten, ein mittelalterliches Schloss, das aussieht wie die Marksburg aus dem Rheintal, aber direkt am Pazifik steht – und sogar eine Gerhard-Schröder-Straße.

In Japan gilt Okinawa nicht nur wegen des Klimas als Trauminsel – es ist auch die unverkrampfte Art der Einheimischen, die die Japaner begeistert. Die Umgangsformen sind lockerer als im Rest des Landes, es wird viel gelacht. Keiner muss auf die Minute pünktlich sein, und einen strengen Dresscode wie in Tokio oder Osaka gibt es nicht: Statt Anzug und Krawatte werden kurzärmelige und bunte Hemden getragen – ganz wie auf Hawaii.

Okinawa ist eine Insel der Kontraste, die sich grob in drei Regionen aufteilen lässt: erstens den dicht besiedelten Süden mit der Hauptstadt Naha, zweitens die von US-Militärbasen geprägte Mitte und drittens den bergigen, grünen Norden, ein riesiger botanischer Garten. Der Süden ist ein geschichtsträchtiges Gebiet: Hier tobte von April bis Juni 1945 die letzte große Landschlacht des Zweiten Weltkriegs, zugleich die erste und heftigste auf japanischem Boden.

In erbitterten Kämpfen zwangen die Amerikaner die japanischen Verteidiger zur Aufgabe. Mehr als 200.000 Menschen starben, darunter fast 100 000 Zivilisten, gut ein Sechstel der Inselbevölkerung. Das unterirdische Hauptquartier der kaiserlich-japanischen Marine auf Okinawa ist ein Museum und kann besichtigt werden: Zu sehen ist ein 450 Meter langes Tunnelsystem mit Original-Möbeln, alter Propaganda («Amerikaner sind keine Menschen») und Granatsplittern im Beton.

Nach dem Krieg blieb die strategisch wichtige Insel von den USA besetzt. 1972 kehrte sie zwar unter japanische Hoheit zurück, doch die US-Armee blieb mit knapp 30 000 Menschen am Ort. Bis heute leben sie in den Militärbasen in Zentral-Okinawa. Den US-Soldaten ist es geschuldet, dass alle Straßenschilder auf Okinawa auch auf Englisch beschriftet sind, wovon wiederum ausländische Touristen profitieren.

Viele Orte in der Nähe der US-Stützpunkte, etwa Kadena und Mihama, sehen längst aus wie amerikanische Städte – mit US-Supermärkten und Fast-Food-Ketten, mit Graffiti, die völlig untypisch für Japan sind, sowie mit Bars, die «Tennessee» oder «Chicago» heißen. Selbst die Sushi-Restaurants bieten hier «Hamburger-Sushi» an – Reisbällchen mit Frikadelle und Ketchup, die in Algenpapier gewickelt und in Sojasoße gedippt werden. Für japanische Urlauber ist dieses Stück Westen in Fernost so spannend, dass es inzwischen zu einer lokalen Touristenattraktion aufgestiegen ist.

Die Urlauberhochburg ist Naha, wo 1945 kein Stein auf dem anderen blieb, was die schlichte Nachkriegs-Architektur erklärt, die der in kriegszerstörten deutschen Städten erstaunlich ähnlich ist. Spannend ist Naha trotzdem, vor allem entlang der Einkaufs- und Restaurantstraße Kokusai-Dori, von der auch der überdachte Markt abzweigt. Hier werden allerlei Souvenirs verkauft, aber auch lokale Spezialitäten wie Sake-Chili-Soße, Rohrzucker-Bonbons und hochprozentiger Reisschnaps namens Awamori.

Der schönste und historisch wichtigste Gebäudekomplex in Naha wurde originalgetreu wieder aufgebaut: Shuri-jo, das Königsschloss aus dem 13. Jahrhundert. Das 1992 wieder eröffnete Ensemble aus Holzpalästen und steinernen Wehrmauern gehört seit 2000 zum Unesco-Weltkulturerbe. Das Museumspersonal ist in historische Gewänder gehüllt, und Besucher können an einer Teezeremonie teilnehmen.

Shuri-jo war über vier Jahrhunderte das Machtzentrum des Königreichs Ryukyu, das Verbindungen vor allem nach China pflegte. Erst im Jahr 1879 wurde Ryukyu dem japanischen Kaiserreich eingegliedert. Das hat Auswirkungen bis heute: Der lokale Dialekt ist mit dem Chinesischen verwandt, auch die Küche ist stark chinesisch geprägt, was sich in der Vorliebe für Schweinernes niederschlägt: Rippchen, Schweineohren und Haxen zählen zu den lokalen Delikatessen.

Ein Kontrastprogramm zum dicht besiedelten Süden bietet der urwüchsige Norden, der über gut ausgebaute Schnellstraßen bequem zu erreichen ist. Hier finden sich entlang der Westküste die schönsten Strände der Insel, vom «Moon Beach» über «Inbu Beach» bis Okuma mit seinem schneeweißen Sand, gesäumt von Palmen und noblen Resorts. Das Revier ist ideal für Schnorchler, denn die Artenvielfalt unter Wasser ist selbst in Strandnähe enorm.

Auf Okinawa fand im Jahr 2000 der G8-Gipfel statt, Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) war einer der teilnehmenden Staatsmänner. Ihn zog es im Anschluss an den offiziellen Teil auf die Nachbarinsel Miyako – seit seinem Besuch am 21. Juli 2000 heißt eine der Inselhauptstraßen offiziell Gerhard-Schröder-Straße. Der Kanzlerbesuch hatte historische Gründe, die auf den Juli 1873 zurückgehen. Damals war das deutsche Schiff «R.J. Robertson» vor Miyako in einen Taifun geraten und gekentert. Die Einheimischen retteten, trotz des Sturms, die Besatzung und nahm sie 37 Tage bei sich auf, bis sich die Heimreise der Deutschen bewerkstelligen ließ.

Die Kunde von den heldenhaften Japanern machte in Deutschland seinerzeit die Runde, und Kaiser Wilhelm I. war so angetan, dass er ein Denkmal stiftete. Es steht noch heute in Miyakos Hauptstadt Hirara und verkündet auf Chinesisch und Deutsch: «In dankbarer Erinnerung dieses rühmlichen Benehmens haben wir Wilhelm von Gottes Gnaden, Deutscher Kaiser, König von Preußen, die Aufstellung dieses Denkmals zu bleibender Erinnerung angeordnet.»

Die Begeisterung der Deutschen für Miyako kühlte mit den Jahrzehnten ab, erst Schröder brachte das Eiland hierzulande wieder ein wenig in Erinnerung. Hingegen entwickelte sich in umgekehrter Richtung ein enormes Interesse der Einwohner Miyakos für Deutschland: Man setzte ebenfalls Gedenksteine, knüpfte Partnerschaften mit deutschen Gemeinden und eröffnete schließlich dort, wo die deutschen Seeleute 1873 an Land gingen, 1992 das «Deutsche Kulturdorf Ueno».

Es besteht aus einem Palast im Gründerzeitstil, Fachwerkhäusern, einem deutschen Restaurant, einem Souvenirgeschäft und dem Original-Nachbau der Marksburg am Rhein. Vor dem imposanten Gebäude nistet ein Paar Gänse, das auf «Hänsel und Gretel» getauft wurde. Deutsche Musik rieselt von morgens bis abends aus der Beschallungsanlage.

Ursprünglich hatten die Japaner sogar vor, die denkmalgeschützte Marksburg, die in der Heimat des «R.J. Robertson»-Kapitäns liegt, im Original zu kaufen, abzubauen und auf Miyako wieder aufzubauen. Das machten die Deutschen aber nicht mit, und so wurde die Burganlage vermessen, nachgezeichnet und nach mehrjähriger Bauzeit schließlich 1996 als «Brüderlichkeits-Gedächtnis-Museum» direkt am Pazifikstrand eingeweiht. Innen ist sie zum Teil originalgetreu eingerichtet mit der alten Küche, Schlafzimmern und Rittersälen.

Dazu gibt es im Schloss eine große Ausstellung über Deutschland, deutsche Geschichte – und Klischees: Die obligatorischen Bierkrüge fehlen genauso wenig wie Schwarzwalduhren und Würste, akkurat als Plastikmodell nachgemacht. Die Geschichte des «Robertson»-Untergangs und die heldenhafte Rettung der Besatzung durch die Japaner nimmt einen großen Teil der informativen, gut gemachten Ausstellung ein.

Rund 40.000 Japaner pro Jahr schauen sich das Museum an, weitere 80 000 besichtigen das «Deutsche Kulturdorf», fotografieren sich vor den Erkern und Türmchen oder dem Baum, den Bundeskanzler Schröder gepflanzt hat. Manche füttern das Gänsepaar, viele trinken deutsches Bier im Restaurant «Landhaus» und statten dem Souvenirgeschäft einen Besuch ab. Von Nussknackern über Weihnachtsschmuck bis zur Diddl-Maus verkauft das Personal – Japanerinnen im Dirndl – jede Menge Kitsch. Aus Deutschland kommt aber nur ein Teil der Ware, viele Produkte sind mit einem «Made in China»-Aufkleber versehen – die Globalisierung macht auch vor deutschem Kulturgut nicht halt.

Okinawa und Miyako

Reiseziel: Okinawa und seine mehr als 100 Nachbarinseln bilden die südlichste Präfektur Japans. Sie liegt näher an Taiwan als an Tokio. Die touristisch interessantesten Inseln sind Okinawa und Miyako.

Anreise und Formalitäten: Japan Airlines (JAL), All Nippon Airways (ANA) und Lufthansa fliegen täglich von Frankfurt/Main nach Tokio, die Lufthansa auch von München aus. In Tokio starten Töchter von JAL und ANA nonstop nach Naha auf Okinawa und nach Miyako – nach Okinawa sind es drei Stunden Flug, nach Miyako vier. Deutsche brauchen zur Einreise einen Reisepass. Der Kinderausweis oder Kinderreisepass wird anerkannt, bis zum 9. Lebensjahr ohne Foto, anschließend bis zum 16. Lebensjahr nur mit Foto. Bei Ausländern erfasst Japan bei der Einreise biometrische Daten (Gesichtsfotos und Fingerabdrücke).

Veranstalter: Mehrere deutsche Reiseveranstalter bieten in diesem Jahr Okinawa erstmals als Urlaubsziel an. Dazu gehören Dertour, FTI, Thomas Cook Reisen, Ameropa, Bavaria Fernreisen und JALpak.

Klima und Reisezeit: Subtropisches Klima, die Inseln sind ganzjährig ein Ziel für Urlauber. Im Sommer muss aber mit Taifunen gerechnet werden. Die Jahres-Durchschnittstemperatur beträgt 23 Grad.

Sprache: Japanisch, auf Okinawa zum Teil auch Englisch.

Währung: Für einen Euro gibt es etwa 165 japanische Yen (Stand: August 2008).

Informationen: Japanische Fremdenverkehrszentrale, Kaiserstraße 11, 60311 Frankfurt (Tel.: 069 – 203 53, Internet: https://www.www.jnto.de).

Quelle: AZ-web.de